DISRUPTIVE
IMAGINATIONS


Joint Annual Conference
August 15-19, 2023
TU Dresden

Science Fiction Research
Association 
&
Gesellschaft für
Fantastikforschung


(deutsch) (english)

Call for Papers: Science-Fiction und Fantastik (SFF) sind in der Lage, etablierte Erzählungen und Weltentwürfe zu stören und zu unterbrechen. Ob in Form von Hard Science-Fiction, utopischer Spekulation, High Fantasy oder übernatürlichem Horror, SFF ist grundsätzlich in Vorstellungen von Disruption verankert – ein Riss im Gefüge der Realität, eine Entfremdung der Sinne, ein Bruch mit der bekannten Welt oder eine Grenzüberschreitung. Das Konferenzthema "Disruptive Imaginationen” lädt dazu ein, sich mit Disruption als einem vielfältigen Paradigma der SFF-Imagination zu beschäftigen. Als eine Form der Störung oder Unterbrechung bedeutet Disruption, dass gewohnte Wahrnehmungs- und Ordnungsmuster des Lebens in der Welt ins Wanken geraten und damit von Unsicherheit und Ungewissheit abgelöst werden. Disruption kann in Größenordnungen auftreten, die vom Mikrologischen bis zum Kosmischen reichen. Auf der prekären Schwelle zwischen Chaos und Ordnung birgt Disruption das Potenzial für einen transformativen Systemwandel und kann eine Verschiebung hegemonialer Markierungen des „Un/möglichen“ auslösen. 

Fredric Jameson führt Disruption als grundlegende diskursive Strategie der politischen Utopie an, die dadurch, dass sie uns zwingt, „den Bruch selbst zu denken“, die Imagination von anderen Welten erst ermöglicht. Was würde es also bedeuten, Disruption „als Umstrukturierung und unerwartete Sprengung von Gewohnheiten zu denken, als jene Seitentür, die sich plötzlich in eine neue Welt von transformierten Menschen öffnet.“[1] Über die gesamte Breite des politischen Spektrums hinweg ist Disruption eine bewährte Strategie der Intervention und erfordert eine sorgfältige Untersuchung von Handlungsmacht und Machtrelationen. Wer oder was ist überhaupt in der Lage, Ordnungen zu (zer)stören, und wessen Erfahrungen der Disruption werden anerkannt, während andere unterdrückt werden oder unsichtbar bleiben? Wie können Imaginationen angesichts einer anhaltenden Pandemie, der drohenden Gefahr eines Atomkriegs, der globalen Erwärmung, Umweltrassismus und des extraktiven Kapitalismus eine Gegenkraft zur Disruption von Lebenswelten bieten?

Das Thema „Disruptive Imaginationen“ versucht, SFF Narrative von Innovation, Fortschritt und anderen Welten mit den Rissen ihrer eigenen Konstruktion zu konfrontieren. „Disruptive Imaginationen“ sind u.a. als kritische Antwort auf neoliberale Modelle der disruptiven Innovation gedacht und möchten wissenschaftliche und kreative Beiträge ansprechen, die nicht das Neue fetischisieren, sondern Methoden des lokalen und systemischen Wandels hinterfragen und im kritischen Worldmaking der Literatur und der Künste verankert sind. Als literarischer und künstlerischer Modus erprobt SFF unablässig Alternativen und Dishabituationen des Status quo, während sie gleichzeitig Räume schafft, um die von strukturellem Rassismus, Kolonialismus, Heteropatriarchat und Behindertenfeindlichkeit verursachten Disruptionen aufzudecken und ihnen Widerstand entgegenzustellen. Wie kann SFF jenseits der Versprechungen vom schnellen technologischen Fix oder einer naiven Rückkehr zum Gleichgewichtszustand dazu beitragen, ein Verständnis für komplexe und unruhige Welten in der Krise zu fördern? Wo liegen aber auch die Grenzen von Disruption als nützlichem Narrativ, um Welten gedanklich zu erschließen, und welche Kollateralschäden zieht es möglicherweise nach sich? Welche anderen Paradigmen werden benötigt, um das Konzept der Disruption selbst zu stören oder zu unterbrechen?


[1] Fredric Jameson. Archaeologies of the Future: The Desire Called Utopia and Other Science Fictions. Verso, 2005. 232. Unsere Übers.